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Unsere Klage gegen Glyphosat: So geht es weiter

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Viele engagierte Menschen unterstützen die Aurelia Stiftung als „Anwältin der Bienen“, wie auch in unserem neuen Fall: bei der Klage gegen die Verlängerung der Zulassung des Ackergifts Glyphosat. Dagegen hat die Aurelia Stiftung bei der EU-Kommission Rechtsmittel eingelegt. Das war aber nur der erste Schritt. Notfalls wollen wir bis zum Europäischen Gericht gehen, um ein Musterverfahren zum Schutz der Bienen und unser aller Umwelt durchzusetzen. Im folgenden Beitrag lesen Sie, wie es jetzt im Verfahren weitergeht.

Im Dezember 2022 hatte die EU-Kommission die Zulassung für das umstrittene Ackergift Glyphosat von Bayer um ein Jahr verlängert. Das geschah, obwohl die erforderlichen Sicherheitsprüfungen nicht abgeschlossen sind. Das wollten wir bei der Aurelia Stiftung nicht so hinnehmen. Mit der Hilfe von Spenden engagierter Bienenfreund*innen aus ganz Deutschland hat die Aurelia Stiftung dagegen nun Rechtsmittel eingelegt. Wir haben die Berliner Anwaltskanzlei [GGSC] beauftragt, die Glyphosat-Verlängerungsentscheidung von der EU-Kommission überprüfen und aufheben zu lassen. Damit strebt die Aurelia Stiftung ein Musterverfahren gegen die Praxis der EU-Kommission an, Pestizid-Genehmigungen trotz lückenhafter Daten zur Sicherheit der Wirkstoffe zu verlängern.

Thomas Radetzki, Vorstand der Aurelia Stiftung, sagte: „Wir beschreiten den Rechtsweg für die konsequente Einhaltung des Vorsorgeprinzips, das in der Europäischen Pestizidverordnung verankert ist. Das Vorsorgeprinzip schützt Ökosysteme und Menschen, es darf nicht durch die Hintertür ausgehebelt werden.“ Nicht nur Glyphosat, sondern auch Dutzende weitere Pestizid-Wirkstoffe würden in der EU immer wieder verlängert, obwohl die erforderlichen Sicherheitsprüfungen nicht abgeschlossen seien. „Das Zulassungsverfahren für Glyphosat macht die gravierenden Mängel im Zulassungsprozess überdeutlich“, sagte Thomas Radetzki.

Studien zeigen: Glyphosat trägt unmittelbar zum Insektensterben bei

Mehrere neuere von Herstellern unabhängige wissenschaftliche Studien haben gezeigt: Glyphosat hat einen unmittelbaren Einfluss auf das Insektensterben. „Deshalb ist die Zulassung von Glyphosat nach unserer Auffassung aus wissenschaftlicher Sicht nicht mehr tragbar“, so der Aurelia-Vorstand. Neuere Studien belegen erhebliche Schäden durch Glyphosat bei Insekten. „Diese Gefahrenlage muss in die Beurteilung des Wirkstoffs auf EU-Ebene sowie in die Bewertung von glyphosathaltigen Herbiziden einfließen. Die Zulassung muss gestoppt werden“, sagte Radetzki. Der Verlust an Blütenbestäubern gefährde unsere Ökosysteme.

Eine Studie der Universität Konstanz belegte im Juni 2022, dass Glyphosat in Kombination mit Trachtmangel die Brutpflege und das Überleben von Hummelkolonien gefährdet. Eine andere Studie hatte bereits nachgewiesen, dass Glyphosat auch die symbiotischen Bakterien von Käfern schädigt. Auch eine 2021 Studie von Dezember 2022 dokumentierte eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Bestäuber: Bei der Entwicklung von Florfliegen entstanden durch die glyphosathaltige Roundup-Formulierung „WeatherMax“ tödliche Missbildungen.

Nach Einschätzung von Dr. Achim Willand von der Kanzlei [GGSC], der die Aurelia Stiftung juristisch vertritt, widerspricht die schon fast routinemäßige Verlängerung von Genehmigungen für Pestizid-Wirkstoffe einem maßgeblichen Grundsatz: Nur nachweislich sichere Pestizid-Wirkstoffe dürfen vermarktet werden – und Ausnahmen sollen nur in besonders begründeten Fällen möglich sein. Doch wegen der Datenlücken und ungeklärter methodischer Fragen habe die vorgeschriebene aktualisierte Risikoprüfung für Glyphosat bis heute nicht abgeschlossen werden können, so Dr. Achim Willand. „Durch die Verlängerungsentscheidung der Kommission erhalten die Hersteller immer wieder die Gelegenheit, Daten nachzureichen“, sagte er. Dabei hätten Bayer und die anderen Hersteller alle relevanten Nachweise der Unschädlichkeit von Glyphosat eigentlich schon in der Anfangsphase des Verfahrens vorlegen müssen, also bereits in den Jahren 2019 und 2020.

Wann wird Glyphosat endlich verboten?

Das Glyphosat-Verbot ist ein politisch heikles Thema in der EU. Im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) wie auch im entsprechenden Berufungsausschuss war zuletzt keine Mehrheit für eine Verlängerung der Zulassung zustande gekommen. Deutschland hatte sich zum Bedauern von ökologisch wirtschaftenden Landwirt*innen, Naturschutzverbänden und Imker*innen bei beiden Abstimmungen lediglich enthalten und nicht dagegen gestimmt.

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist vereinbart, Glyphosat ab Anfang 2024 komplett zu verbieten. Dies hat Bundesagrarminister Cem Özdemir in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung, die für Spritzmittel gilt, bereits festgelegt. Doch es bleibt ein großes Fragezeichen, ob es Anfang 2024 wirklich zum Verbot kommt, wie Dr. Achim Willand in diesem Beitrag erklärt.

Zwei aktuelle Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, 06.05.2021 und 19.01.2023) zu Anwendungsverboten für Neonicotinoide stützen die Rechtsauffassung der Aurelia Stiftung auch in Sachen Glyphosat. Beim Zustandekommen dieser Urteile hatte die Aurelia Stiftung maßgeblich mitgewirkt. Demnach kann die Anwendung von Pestizidprodukten verboten werden, wenn sie nach dem aktuellen Wissensstand nicht nachweislich unschädlich sind. In wissenschaftlich begründeten Verdachtsfällen hatte dem Richterspruch folgend ausdrücklich der Umweltschutz Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Nach Rechtsauffassung der Aurelia Stiftung sollte dies auch für Glyphosat gelten.

Das Verfahren wird uns weiterhin viel Kraft und Geld kosten – aber jeder Cent ist es wert.

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