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Faulbrut-Schluckimpfung für Honigbienen: Spannende Wissenschaft, aber keine „Rettung für Bienen“

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Von Imker*innen und Imkerverbänden hat uns vielfach die Frage erreicht, ob es sich bei der Faulbrut-Impfung der Bienenkönigin um einen gentechnisch basierten Impfstoff handelt. Was sind die Fakten? Bernd Rodekohr, unser Referent für Gentechnik, ist der Sache auf den Grund gegangen.

„Rettung für die Honigbiene?“, „Schutz der Bienen vor fieser Krankheit“ – solche Schlagzeilen tauchen gerade in den Medien auf. Sie suggerieren, ein in den USA neu zugelassener Impfstoff gegen die Bienenkrankheit „Amerikanische Faulbrut“ (AFB) sei die ersehnte „Rettung für die Bienen“. Im Interview mit der New York Times macht der Entomologe Prof. Keith Delaplane von der University of Georgia sogar Hoffnung auf einen „Cocktail“, der viele „Bienenprobleme“ lösen könne. „Das wäre der heilige Gral“, so Delaplane, der das Unternehmen, das jetzt den Impfstoff vermarktet, auch bei dessen Entwicklung unterstützt hat. Was ist dran an solchen Heilsversprechen und wie ist der Bienen-Impfstoff einzuschätzen?

Erfolgreicher Kampf deutscher Imker*innen gegen die Faulbrut

Tatsächlich ist die AFB eine weltweit verbreitete, gefährliche und hochansteckende Bienenseuche, die bereits unzählige Bienenvölker vernichtet hat. Die Krankheit wird durch Sporen eines Bakteriums (Paenibacillus larvae) übertragen. Beispielsweise über Sammlerinnen-Bienen, die bei unentdeckt infizierten Völkern räubern, durch ungespülte, kontaminierte Honiggläser in Altglascontainern oder Honig-Verpackungen auf Mülldeponien.

Für den Menschen, für erwachsene Bienen oder für Wildbienen und Hummeln ist die AFB völlig ungefährlich. Doch sobald sie Honigbienen-Brut befällt, zersetzt sie diese noch in der Brutwabe. Übrig bleibt ein bräunlicher, übelriechender Schleim. Wegen der hohen Ansteckungsgefahr ist die Faulbrut in Deutschland anzeigepflichtig. Bei einer Meldung richten die Veterinärämter sofort einen Sperrbezirk um den betroffenen Bienenstand ein.

Früher mussten die Imker*innen betroffene Völker komplett vernichten. Doch dank der langjährigen Bemühungen von Imker*innen und Veterinärämtern zur Früherkennung konnte die AFB in Deutschland sehr erfolgreich zurückgedrängt werden. Ähnlich wird es in Österreich und der Schweiz gehandhabt. In vielen anderen EU-Staaten ist der Antibiotika-Einsatz üblich. 2022 gab es deutschlandweit nur 72 Faulbrut-Ausbrüche. Bei frühzeitiger Erkennung können infizierte Völker sogar mit der sogenannten „Kunstschwarmmethode“ noch gerettet werden.

Der Kampf gegen Faulbrut in den USA: Antibiotika statt Früherkennung

Anders als in Deutschland sind in Amerika und Asien auch unterschiedliche Antibiotika wie Tetracycline zur Faulbrut-Behandlung bei Bienenvölkern zugelassen. Doch der ständige Antibiotika-Einsatz in Bienenstöcken könnte mit zum Bienensterben der vergangenen Jahre beigetragen haben, wie Forschende der University of Austin 2017 in einer Studie in der Fachzeitschrift Plos Biology feststellten.

Zudem können Antibiotika die Faulbrut nicht beseitigen, sondern deren Symptome lediglich unterdrücken. Auch sind die Faulbrut-Bakterien durch jahrelange Anwendung weitgehend antibiotikaresistent geworden. In einigen Regionen der USA ist inzwischen über die Hälfte der Völker infiziert. Die Abhängigkeit von der Industrie, in die sich die US-Imker*innen begeben haben, rächt sich jetzt. Amerikas Imker*innen klammern sich daher verzweifelt an jeden Strohhalm, der Rettung gegen die in den USA mittlerweile allgegenwärtige Krankheit verspricht.

Eine kleine wissenschaftliche Sensation: Die Impfung, die es eigentlich nicht geben dürfte

Dementsprechend groß war die Hoffnung in der Imkerschaft, als die Meldung durch die Medien ging, dass das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) am 4. Januar 2023 einer „Schluckimpfung“ für Honigbienen eine bedingte Zulassung für zwei Jahre erteilt hat. Es ist die weltweit erste Impfung für Insekten überhaupt. Allein die Tatsache, dass eine „Insekten-Schluckimpfung“ überhaupt möglich ist, ist eine kleine wissenschaftliche Sensation.

Menschliche Mütter können an ihren Nachwuchs in der Schwangerschaft und beim Stillen Antikörper weitergeben, um ihn vor Erkrankungen zu schützen. Bienen und andere Insekten haben allerdings keine Antikörper und können auch kein Immungedächtnis ausbilden, wie es für Impfungen notwendig ist. Aber nur ein solches „erworbenes Immunsystem“ kann nach dem Kontakt mit Erregern – oder mit einer Impfung – Antikörper und Gedächtniszellen bilden, um sich Eindringlinge zu merken und künftig abzuwehren.

Bienen haben einen natürlichen, generationsübergreifenden Immunschutz

Doch 2019 entdeckten Zoologen der Uni Graz einen spezifischen Abwehrmechanismus auch bei Bienen, mit dem diese ihre Nachkommen immunisieren und auf Krankheiten vorbereiten. Dafür spielt das Protein Vitellogenin eine entscheidende Rolle, das auch zentrale Bereiche des sozialen Lebens der Honigbiene steuert. „Wir konnten nachweisen, dass das Protein Vitellogenin an Bakterien anknüpft, an die Bienenkönigin über die Nahrung abgegeben wird und dann eine Immunreaktion bei den Nachkommen auslöst“, schrieben die Forschenden in ihrer Studie.

Diesen Mechanismus hat sich die die Faulbrut-Impfung zunutze gemacht. Der Impfstoff wird aus abgetöteten P.-larvae-Bakterien hergestellt und über die Arbeiterinnen an die Bienenkönigin verfüttert. In den Ammenbienen binden die Bakterienbruchstücke aus dem Impfstoff an deren Vitellogenin und werden im Königinnen-Futtersaft (Gelée Royal) an die Königin weitergegeben. Die Bienenkönigin erhält sozusagen einen Totimpfstoff als „Schluckimpfung“ durch die Ammenbienen. Im Körper der Königin wandern dann die Vitellogenin-/P.-larvae-Fragmente in die Eier. Larven, die später aus den Eiern schlüpfen, besitzen dann ein Immunsystem, dass resistent gegen das P.-larvae-Bakterium ist. Die Königin hat den Immunisierungseffekt an ihre Nachkommen weitergegeben.

„Gewisse, aber unzureichende Wirkung“

Vom Prinzip her funktioniert die Bienenimpfung also durchaus. Allerdings ist die Wirkung äußerst gering. In den Laborversuchen hatten die Nachkommen geimpfter Königinnen nur eine etwa 30- bis 50-prozentige Resistenz gegen den Erreger der AFB. Die übrigen Larven erkrankten und starben. Das Institut für Bienenkunde Celle schreibt zur „unzureichenden Wirkung“ des Impfstoffs: „Schon diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass selbst unter kontrollierten Laborbedingungen die Impfung keinen sicheren Schutz gegen die AFB darstellt.“

Zudem wurde in den Laborversuchen nicht die gesamte Metamorphose der Larven abgewartet, obwohl Larven teilweise erst in späten Stadien absterben. Auch blieb ungeklärt, wie lange der generationsübergreifende Schutzmechanismus bei der Königin überhaupt anhält. Bisherige Untersuchungen zeigten nur eine zeitlich begrenzte Wirkdauer. Das Bieneninstitut weiter: Schon jetzt könne geschlussfolgert werden, dass die Resistenz gegen den AFB-Erreger keinesfalls ausreiche. Zumal es sich um eine anzeigepflichtige Bienenseuche handele, die nach einem Ausbruch getilgt werden solle.

Damit warnt das Institut für Bienenkunde zumindest indirekt vor dem Impfstoff. Denn wenn dieser die Infektion im Volk nur einschränkt, aber nicht tilgt, könnte die Krankheit leicht unerkannt verlaufen. Beste Voraussetzungen für den Erreger, sich weiter zu verbreiten und zu immunisieren. Von einer Impfung gegen die AFB sei man weltweit noch weit entfernt, „sofern sie überhaupt je für die Praxis sich eignen wird“.

Was können wir aus dem Hype um den vermeintlichen Wunder-Impfstoff lernen?

„Immer, wenn eine von der Pharmaindustrie finanzierte Studie erscheint, wird sie mit großer Energie in die Weltöffentlichkeit gebracht“, kommentiert der Imker*innen-Verband Mellifera die Faulbrut-Impfung. Es ist richtig: Gute Forschung braucht Geld. Dieses Geld hat die Industrie. Gute Forschung braucht aber auch Unabhängigkeit und Zeit für die sorgfältige Suche nach unerwünschten Nebeneffekten. Beides stellt die Industrie nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Ein wesentlicher Treiber für deren Marketing ist der Kurs an der Börse. Darum muss der Staat als Gesetzgeber für bessere Forschungsbedingungen sorgen und mehr Geld und Ressourcen für unabhängige, kritische, interdisziplinäre Forschung ermöglichen, um die Biene zu schützen – frei von Profit- und Vermarktungsinteressen.

Vielleicht führt ein anderer Gedanke eher zur Lösung: Das „Bienenproblem“, von dem Imfstoffentwickler Delaplane in der New York Times sprach, ist ein menschengemachtes Problem, das gerade zum „Menschheitsproblem“ wird. Denn noch immer haben wir nicht gelernt, ausschließlich restriktiv, streng reguliert und risikogeprüft in die Natur einzugreifen, sodass unsere Eingriffe weder Menschen noch anderen Organismen wie den Bienen schaden. Das gilt auch für eine Reihe anderer menschlicher „Werkzeuge“ wie Antibiotika, Genscheren oder Pestizide.

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