Die Aurelia Stiftung setzt sich für ein Verbot von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln in privaten Gärten ein. Ausgenommen vom Verbot sollen Pflanzenschutzmittel sein, die für den ökolo-gischen Landbau zugelassen sind (sogenannte Öko- oder Biospritzmittel für Haus- und Kleingärten). Zusammen mit SumOfUs.org haben wir 2019 eine Petition für das Verbot gefährlicher Gartengifte ins Leben gerufen und setzen uns seither auf bundespolitischer Ebene für eine Gesetzesänderung ein. Andere europäische Länder und Regionen haben ein solches Verbot bereits auf den Weg gebracht.

In Deutschland gibt es grob geschätzt 20 Millionen Hausgärten und etwa eine Million Schre-bergärten (Kleingärten) – auf einer geschätzten Fläche von 930 000 Hektar. Das entspricht einem Gebiet, dass zehnmal so groß ist wie Berlin.
In der Freizeit zu gärtnern liegt voll im Trend und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Besonders im Hausgarten- aber auch im Kleingartenbereich hat in Deutschland eine Verschiebung von einem reinen Nutzgarten hin zu einem Zier-, Erholungsgarten stattgefunden. Obwohl Gärten damit oft als ökologische Inseln und Hotspots der Vielfalt gelten, werden dort besonders häufig Pflanzenschutzmittel angewendet. Laut einer Umfrage, die vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) beauftragt wurde, greifen rund die Hälfte aller deutschen Haus- und Kleingärtner*innen regelmäßig auf chemisch-synthetische Schädlingsbekämpfungsmittel zurück.
So kommt es, dass etwa fünf bis sechs Prozent der Menge an verkauften Pflanzenschutzmitteln in Deutschland für Haus- und Kleingärten bestimmt (2017: 6 220 Tonnen) sind. Damit werden theoretisch pro Hektar Garten etwa 6,7 Kilogramm Pflanzenschutzmittel an Hobbygärtner*innen verkauft. Für landwirtschaftliche Flächen werden dagegen „nur“ 5,2 Kilogramm Pflanzenschutzmittel pro Hektar von Profianwendern mit Sachkundenachweis gekauft.
Zwar möchten viele Hobbygärtner*innen gerne ökologisch arbeiten und gerne auf den Einsatz von Chemie verzichten, es fehlen aber oft entsprechenden Kenntnisse dafür. Viele Freizeitgärtner*innen können Pflanzenschädlinge jedoch nicht voneinander unterscheiden und setzen die chemischen Gifte damit letztendlich auf gut Glück ein.
Projektstart
Ausgehend für unser Engagement in diesem Projekt waren die Recherchen von Jan Hellberg für einen Artikel („Der Mörder ist immer der Gärtner“) im stern. Auf dieser Grundlage haben wir das Reporter-Team zwei Tage in Berlin und Polen begleitet und haben im Anschluss auch ein Interview zum Verkauf von illegalen Pestiziden auf einem sogenannten Polenmarkt gegeben („Verkauf verbotener Pestizide an Hobbygärtner“). Bei all diesen Aktionen haben wir gravierende Missstände aufgedeckt:
- Unabhängige Beratungsangebote für den ökologischen Pflanzenschutz im Haus- und Kleingarten sind kaum vorhanden,
- Verkäufer*innen von Pflanzenschutzmitteln kommen ihrer Informationspflicht meist nicht nach,
- Verkäufer*innen raten sogar oftmals zum verbotenen präventiven Einsatz der Mittel,
- Hochgifte Mittel wie Neonicotinoide sind für alle Freizeitgärtner*innen verfügbar,
- (Illegale) Pestizide werden unkontrolliert in Onlineshops und Online-Marktplätzen verkauft,
- (Nicht zugelassene) Pestizide werden von Privatgärtner*innen illegal im Ausland beschafft,
- Die Bezeichnungen Bio- und Öko- werden von den Pestizidherstellern ohne Kontrolle eigenständig verwendet, sogar in selbstentworfenen Siegeln,
- Die Anwendung der Pestizide in Haus- und Kleingarten wird zu keinem Zeitpunkt überwacht.
Wir haben zu den einzelnen Missständen Forderungen an die zuständigen Behörden und die Agrarminister*innen der Bundesländer gestellt. Zwei Forderungen wurden mittlerweile erfüllt:
- die Einrichtung einer Kontrollstelle für den Online-Handel mit Pflanzenschutzmitteln (beim BVL),
- die Anerkennung der „Leitlinie für den integrierten Pflanzenschutz in Haus- und Kleingarten“ (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, BMEL).
Projektentwicklung
Insgesamt wurde aber nur zögerlich, teils gar nicht auf unsere Forderung reagiert. Deshalb setzen wir uns konsequenterweise mittlerweile für ein Verbot von Giften für Hobbygärtner*innen ein (mit Ausnahme der Mittel die Wirkstoffe für den ökologischen Landbau enthalten). Zusammen mit SumOfUs.org haben wir eine Online-Petition für das Verbot von Gartengiften gestartet (Bienengefahr im Garten). Dabei wurden bereits fast 25.000 Unterschriften gesammelt. Übergeben wird die Unterschriftenliste an das zuständige Ministerium (BMEL).
Neuigkeiten
Im Sommer 2020 ist der MDR auf unsere Arbeit und Aktivitäten aufmerksam geworden und hat einen investigativen Fernsehbeitrag über den illegalen Handel mit Pestiziden ausgestrahlt (ARD Mediathek – Verbotenes Pflanzengift – Viele kaufen es trotzdem & MDR – Illegale Pestizide auf Grenzmarkt in Polen). Die Aurelia Stiftung war mit der Expertise von Jan Hellberg bestens vorbereitend und begleitend tätig. Die Hinweise auf den illegalen Handel wurden an die deutschen und die europäischen Stellen weitergeleitet.
Der Ausblick
Frankreich hat sich für einen konsequenten Verbraucher- und Umweltschutz entschieden. Pflanzenschutzmittel für Haus- und Kleingarten sind dort mittlerweile generell verboten. Wir halten diese Maßnahme für vorbildlich und setzen uns in Deutschland für ein solches Verbot ein – insbesondere auf bundespolitischer Ebene und durch eine verstärkte Kampagnenarbeit ab 2021.
Die Projektskizze gibt es hier zum Download: