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Acetamiprid im Honig: EU plant Erhöhung der zulässigen Rückstandsmenge

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Der lebensmittelrechtlich zulässige Rückstandshöchstgehalt für das Insektengift Acetamiprid in Honig soll europaweit um das Sechsfache angehoben werden. Die Aurelia Stiftung kritisiert diese Entscheidung scharf, denn sie gefährdet Bienen und andere bestäubende Insekten.

Acetamiprid ist ein Insektizid aus der Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide, die aufgrund ihrer besonderen Bienenschädlichkeit bereits teilweise verboten sind. In Deutschland wird Acetamiprid unter anderem im Rapsanbau eingesetzt, was dazu führt, dass Rückstände des Wirkstoffs auch in Rapshonigen zu finden sind. Das haben aktuelle bundesweite Untersuchungen der Aurelia Stiftung gezeigt. In knapp zwei Prozent der untersuchten Honige lagen die gefundenen Rückstandsmengen über dem bisher zulässigen lebensmittelrechtlichen Grenzwert (MRL).

Jetzt soll die lebensmittelrechtlich zulässige Höchstmenge von Acetamiprid im Honig von 0,05mg/kg auf 0,3mg/kg, also um das Sechsfache, erhöht werden. Das haben Ende Februar die EU-Mitgliedstaaten im ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (PAFF) mehrheitlich beschlossen. Der Entschluss liegt aktuell dem Europäischen Rat und dem EU-Parlament vor. Diese können noch dagegen Einspruch erheben.

Steigende Belastung bedroht Wild- und Honigbienen

Die Aurelia Stiftung kritisiert die geplante Erhöhung des Acetamiprid-Grenzwerts im Honig, denn sie gefährdet Bienen und andere blütenbestäubende Insekten. Sie legitimiert eine steigende Anwendungsmenge von acetamipridhaltigen Pestiziden und somit letztlich ein steigendes Belastungsrisiko der schon jetzt bedrohten Wild- und Honigbienen sowie von Rapshonigen.

Insbesondere wenn Bienen in ihrer Entwicklung wiederholt dem Wirkstoff Acetamiprid ausgesetzt sind, kann es zu Störungen ihres Immunsystem kommen. Bereits geringe Konzentrationen von Acetamiprid beeinträchtigen die Larvenentwicklung und Schlupfrate der Bienen. Des Weiteren wurde in Studien eine verkürzte Lebensdauer der Bienen nachgewiesen, sowie eine negative Beeinträchtigung ihrer Flug-, Orientierungs- und Navigationsfähigkeit. Solitär lebende Wildbienen werden durch den Einsatz von Acetamiprid und anderen Neonicotinoiden im Freiland besonders gefährdet.

Unabhängige Risikoprüfungen gefordert

In einer Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) von August 2021 ist kein Grund für die Notwendigkeit der Grenzwerterhöhung genannt. Bemerkenswert ist, dass der Hersteller des acetamipridhaltigen Pestizids „Mospilan SG“, die Nisso Chemical Europe GmbH,  die Erhöhung der geltenden Rückstandshöchstgehalte für Acetamiprid beantragt hat. Die Efsa wiederum hat ihre Bewertung des Antrags auf der Grundlage von Studiendaten vorgenommen, die der Chemiekonzern selbst beauftragt und zur Verfügung gestellt hat. Auch die Untersuchungen zu möglichen Übertragungen von Rückständen aus gespritzten Kulturen in den Honig wurden vom Chemiekonzern selbst durchgeführt.

Die Aurelia Stiftung bemängelt in diesem Zusammenhang, dass die Efsa die Untersuchungen der Pestizidhersteller als geeignet erachtet, um eine Grenzwerterhöhung zu legitimieren, anstatt zu gewährleisten, dass diese Studien von unabhängigen Institutionen durchgeführt werden. Die Stiftung fordert bereits seit Jahren eine grundlegende Reform der Risikoprüfung und Zulassungspraxis von Pestiziden in Europa.

EU-Parlamentarier*innen müssen jetzt Einspruch einlegen!

Der MRL-Grenzwert bezieht sich vor allem auf das von den Pestizidrückständen ausgehende Risiko für die Verbraucher*innen und nicht der Bienen. Er ist somit eine Maßnahme des Verbraucherschutzes und nicht des Bienenschutzes. Die Efsa kam auf Grundlage der Ergebnisse der Risikobewertung zu dem Schluss, dass durch die geplante MRL-Erhöhung keine Gesundheitsgefahren für Verbraucher*innen entstehen.

Die kurz- und langfristige Aufnahme von Acetamiprid durch Rückstände stellt laut Efsa „wahrscheinlich kein Risiko für die Gesundheit der Verbraucher“ dar. 2014 stellte die Efsa dagegen noch fest, dass Acetamiprid die Funktion und Entwicklung von Neuronen im Nervensystem von Säugetieren negativ beeinträchtigen kann. Ob und wie die Bedenken der neurotoxischen Wirkung von Acetamiprid auf den Menschen ausgeräumt worden sind, ist bisher nicht bekanntgemacht worden.

Die Aurelia Stiftung hat sich bezüglich der drohenden Erhöhung des Grenzwerts an mehrere EU-Parlamentarier*innen gewandt und diese gebeten, umgehend Einspruch einzulegen. Wir bleiben dran und werden über die weiteren Entwicklungen bei dem Thema berichten.

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