Aktuelles

Hunderttausende EU-Bürger*innen wehren sich gegen Gentechnik ohne Kennzeichnung und Risikoprüfung

Veröffentlicht am

Unter dem Motto #IChooseGMOfree („Ich wähle gentechnikfrei“) haben 50 Umwelt- und Verbraucherschutz-Organisationen am 7. Februar 2023 der Europäischen Kommission eine Petition übergeben. Darin fordern sie die Beibehaltung von Risikoprüfung und Kennzeichnung für Produkte aus neuer Gentechnik (NGT). Neben der Aurelia Stiftung haben unter anderem Verbände der Land- und Lebensmittelwirtschaft aus 17 EU-Mitgliedsstaaten die Petition unterstützt.

Bei der Übergabe der Petition vor dem Europäischen Parlament in Brüssel wurde ein Glücksrad aufgebaut, um zu zeigen, dass die EU-Kommission bereit ist, mit unserem Essen zu spielen. Auf dem Spiel steht nicht weniger als die Freiheit von Bürger*innen, Bauern und Bäuerinnen, selbst zu entscheiden, ob sie gentechnikfrei essen und produzieren wollen.

Die Petition wurde von 420.757 EU-Bürger*innen unterzeichnet und war bereits im Dezember von den Verbänden des deutschen Bündnisses „Nicht hinter unserem Rücken: Kein Freifahrtschein für neue Gentechnik in unserem Essen!“ an die deutschen Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt übergeben worden.

Erst im Januar forderten mehrere deutsche Jugendverbände in einer gemeinsamen Resolution zur NGT: „Wir wollen wählen können! Gentechnikfreie Lebensmittelproduktion sichern“. Auch Fridays for Future fordert als Teil des Bündnisses „Wir haben es satt“ die Sicherung einer gentechnikfreien Landwirtschaft.

In ihrer jüngsten Rede zur Lage der Union hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, einen Gesetzesvorschlag zu den sogenannten „neuen genomischen Techniken“ (NGTs) auf den Weg zu bringen, dessen Veröffentlichung am 7. Juni erwartet wird. Ein solches Gesetz könnte den Rechtsrahmen für Agrogentechnik in der EU radikal verändern. Die EU-Kommission plant bestimmte Gruppen von NGT-Organismen von den bestehenden Gentechnik-Regeln auszunehmen. Agrarkonzerne könnten solche NGT-Produkte dann ohne Gentechnik-Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit vermarkten.

„Die Europäische Kommission scheint bereit zu sein, mit unseren Lebensmitteln zu spielen, obwohl das Gentechnikurteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2018 deutlich gemacht hat, dass auch die sogenannten ,neuen genomischen Techniken‘ Gentechnik sind und nach der aktuellen Gentechnik-Gesetzgebung reguliert bleiben sollten“, so Mute Schimpf, Food-Campaignerin bei „Friends of the Earth Europe“.

„Der Ausschluss neuer GVO von der Gentechnikgesetzgebung würde Landwirte, Lebensmittelhersteller, Einzelhändler und Bürger daran hindern, sich für gentechnikfreie Produkte zu entscheiden. Wir haben das Recht zu entscheiden, was wir essen und auf unseren Feldern anbauen“, erklärt Clara Behr, Leiterin Politik und Öffentlichkeitsarbeit des Bioverbands Demeter International in Brüssel. Der Einsatz von Gentechnik in der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft ist gesetzlich verboten und widerspricht dem Selbstverständnis der Branche.

Auch Bernd Rodekohr, Projektleiter „Schützt die Biene vor Gentechnik“ bei der Aurelia Stiftung sieht die geplante Gentechnik-Deregulierung kritisch: „Durch die Genschere ist die Manipulation von Pflanzen leichter geworden, die zu den Nahrungsnetzen von Bienen und anderen Bestäubern gehören. Mit der zunehmenden Häufigkeit gentechnischer Eingriffe erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dadurch die empfindlichen Signal- und Stoffwechselwege des komplexen Ökosystems zu stören. Schon die Veränderung eines einzigen Schlüsselgens kann im Extremfall zum Zusammenbruch einer ganzen Nahrungskette führen, wie Forschende der Universität Zürich gezeigt haben. Daher brauchen wir mehr denn je eine strenge Einzelfall-Risikoprüfung von Organismen aus neuer Gentechnik, die nicht mehr rückholbar sind.“ Dies forderten auch Expert*innen verschiedener europäischer Umweltbehörden, so Rodekohr.

Nina Holland Campaignerin bei Corporate Europe Observatory (CEO): „Einige große Chemie- und Saatgutkonzerne drängen die EU, NGT-Organismen unkontrolliert auf den Markt zu bringen. Diese Unternehmen betreiben seit Jahren Lobbyarbeit bei der Europäischen Kommission, um neue GVO von der EU-Verordnung auszunehmen. Dabei machen sie falsche Behauptungen über deren angebliche Nachhaltigkeit. Da sie aber auch Patente auf das mit diesen Techniken manipulierte Saatgut besitzen, bleibt ihre wahre Motivation die Maximierung ihrer Profite.“

Thomas Radetzki, Vorstand der Aurelia Stiftung, sagte anlässlich der Übergabe der Petition an die EU-Kommission: „Bienen sorgen bei ihren bis zu fünf Kilometer weiten Sammelflügen für die systematische Auskreuzung gentechnisch veränderter Pflanzen. Davon betroffen sind nicht nur Landwirte, die gentechnikfrei arbeiten wollen, sondern auch Wildpflanzen wie zum Beispiel Kreuzblütler, die eng mit gentechnisch verändertem Raps verwandt sind.“

Weitere Links:

 

top

Newsletter abonnieren

Mit dem Aurelia Newsletter bleiben Sie am Puls unserer Arbeit als Anwältin der Bienen.
Er ist kostenlos und jederzeit einfach kündbar.