24.Januar 2019
Betreff: Forderungen und Handlungsempfehlungen für die Reduzierung des Pestizideinsatzes
Sehr geehrte Frau Bundesministerin,
im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien darauf geeinigt, das Insektensterben umfassend zu bekämpfen. Ohne eine drastische Reduzierung des Pestizideinsatzes wird es jedoch keine Trendwende beim Insektensterben geben. Die inzwischen vielfältig wissenschaftlich dokumentierten Schädigungen der Umwelt durch Pflanzenschutzmittel müssen endlich zu einer konsequenten Anwendung des Vorsorgeprinzips führen.
In der dem Schreiben beigelegten Studie der Deutschen Umwelthilfe und der Aurelia Stiftung werden die Effekte von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln – insbesondere auf die systemrelevanten Bienen – beschrieben und Ansatzpunkte für eine Reduzierung des Einsatzes dieser Mittel abgeleitet. Unsere Forderungen und Handlungsempfehlungen aus der Studie haben wir bereits am 17.1.2019 im Rahmen eines parlamentarischen Austausches diskutiert.
Biodiversität ist das Immunsystem unserer Ökosysteme und der Garant für die nachhaltige Leistungsfähigkeit unserer landwirtschaftlichen Betriebe. Unter dem enormen Preisdruck und aufgrund der zum Teil fragwürdigen Anreize durch die Agrarförderung hat sich eine immer intensivere Bewirtschaftung der Anbauflächen entwickelt, die in der Praxis zu einer Abnahme der Biodiversität führt und zugleich zu einer immer stärkeren Abhängigkeit der Landwirte von Pestiziden. Wir betonen dabei, dass die Forderungen unserer Studie sich nicht gegen unsere Landwirte richten. Wir brauchen eine multigeopolitische Zielsetzung für positive Gesamtlösungen und die Entwicklung von Übergangsszenarien. Der gesellschaftliche Rückhalt dafür ist mehr denn je vorhanden. Wir fordern Sie deshalb auf, sich auf EU- und nationaler Ebene für folgende Kernforderungen unserer Studie einzusetzen:
- Eine Reform der Pestizidzulassung auf EU-Ebene (Freilanduntersuchungen, Berücksichtigung von Kombinations- und Akkumulationseffekten, Erweiterung Prüfkriterien undPrüfspektrum, Unabhängigkeit von Studien, Monitoring nach Prüfzulassung, strengere Regelung von Ausnahmegenehmigungen)
- Ein Aktionsprogramm mit der Zielvorgabe der Reduzierung von Pestizidabhängigkeiten
- Konsequenter Ausbau des Ökolandbaus
- Förderung, Umsetzung und Kontrolle der guten fachlichen Praxis
- Anwendungsverbote für Pestizide auf besonders schutzbedürftigen Flächen, bspw. im gesamten Siedlungsbereich und in Schutzgebieten
- Ein vollständiges Verbot bekannter umweltgefährdender Stoffe, wie z. B. Neonicotinoide
- Einführung einer Pflanzenschutzsteuer bzw. -abgabe, um den Pestizideinsatz finanziell unattraktiver zu machen, eine unabhängige
- Umweltverträglichkeitsprüfung vor Zulassungsowie ein kontinuierliches Umweltmonitoring
- Unabhängige Kontrolle der Anwendung des Pflanzenschutzgesetzes, nicht durch die Landwirtschaftskammern, sondern durch die Landesumweltämter
Weder die im Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen festgehaltenen Grundsätze der „guten fachlichen Praxis“ noch der Nationale Aktionsplan für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden und der dort angestrebte integrierte Pflanzenschutz haben bisher zur Reduzierung von Pestiziden und somit zum Insektenschutz beigetragen. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, in dieser Legislaturperiode einen umfassenden Ansatz zum Schutz der Insekten aufzuzeigen und umzusetzen – auf EU- und nationaler Ebene.
Die Aurelia Stiftung und die Deutsche Umwelthilfe bieten an, sich am Aktionsprogramm Insektenschutz zu beteiligen und an den Gesprächsrunden zur Ackerbaustrategie teilzunehmen. Gerne tragen wir mit unserer Expertise zu einer Trendwende beim Insektensterben bei. Kontaktieren Sie uns bitte jederzeit, wir leisten gerne einen Beitrag zum Gelingen Ihrer Vorhaben.
Mit freundlichen Grüßen
Sascha Müller-Kraenner
Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e.V.
Thomas Radetzki
Vorstand Aurelia Stiftung