BÜNDNISSE ZUM SCHUTZ DER BIENEN

Die „Bündnisse zum Schutz der Bienen“ sind von der Aurelia Stiftung projektspezifisch organisierte Zusammenschlüsse, an denen sich bereits 15 Verbände der Imkerschaft, des Naturschutzes und der Lebensmittelwirtschaft beteiligt haben. Die Initiative für das erste Bündnis ging im Jahr 2006 von Imkermeister Thomas Radetzki aus. Seitdem konnten wir wichtige Erfolge für Bienen und Umwelt auf deutscher und europäischer Ebene erzielen.

Aus formalen Gründen kann die Stiftung in keinem Gerichtsverfahren selbst als Klägerin bzw. Prozessbeteiligte auftreten. Je nach Konstellation haben wir geeignete Dachverbände der Imkerschaft oder betroffene Privatpersonen dafür gewonnen. Bei allen Projekten liegen die Initiative, konzeptionelle Klärung, organisatorische sowie finanzielle Verantwortung und Öffentlichkeitsarbeit bei Aurelia. Die juristische Beratung und Vertretung erfolgt durch Dr. Achim Willand mit seinem Team der Kanzlei Gassner Groth & Siederer [GGSC] in Berlin.

Gerichtsverfahren gegen Neonicotinoide

Neonicotinoide sind hochwirksame Gifte, die durch eine Überreizung des Nervensystems zum Tod von Insekten führen. Die Wirkstoffe werden in der Landwirtschaft als Pflanzenschutzmittel angewendet und gelangen in alle Teile der Pflanze, so auch in Nektar und Pollen, von denen sich Honig- und Wildbienen und eine Fülle anderer Insekten ernähren. Der Wirkstoff Clothianidin (Bayer) ist laut einer Studie der Universität Utrecht 6.750-mal so giftig für Honigbienen wie das weltweit längst geächtete DDT. Mehr als 90 Prozent der wasserlöslichen Wirkstoffe gehen nicht in die Pflanze, sondern gelangen über den Wurzelraum in die Gewässer und alle Bereiche der Umwelt.

Die EU-Kommission hatte aufgrund der nachgewiesenen Gefährlichkeit für Bienen die Freiland-Verwendung für die insektiziden Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam sowie Fipronil im Jahr 2013 eingeschränkt. Dagegen hatten die Pestizidhersteller BAYER, Syngenta und BASF beim europäischen Gericht (EuG) geklagt. Sie werden dabei bis heute von einer Reihe Unternehmen der Saatgutbranche und der Agrarchemie als Prozessbeteiligte unterstützt.

Drei Imkerverbände aus dem von der Aurelia Stiftung organisierten Netzwerk unterstützen die Position der EU-Kommission als sogenannte „Streithelfer“ in den Gerichtsverfahren.

Meilenstein für den Insektenschutz in erster Instanz beim EuG

In diesem Verfahren konnten wir einen Anspruch auf Prozessbeteiligung unserer Partnerverbände durchsetzen, weil wir die Interessen der unmittelbar betroffenen Bienen und anderer Blütenbestäuber vertreten. Eine ehrenamtliche Task-Force unabhängiger Wissenschaftler:innen stand uns bei der fachlichen Bewertung von mehr als 4.000 Seiten Schriftsätze der gegnerischen Seite zur Verfügung, die zunächst an vielen Stellen geschwärzt waren. Durch unsere Argumentation und insbesondere durch die Beteiligung in der mündlichen Verhandlung beim Europäischen Gericht haben wir einen wesentlichen Beitrag zum Verfahren geleistet. Das EuG Urteil im Mai 2018 war ein großer Erfolg für Bienen & Biodiversität. Bisher ist kein vergleichbarer Fall bekannt, in dem die Kommission genehmigte Produkte von so großer wirtschaftlicher Bedeutung aus Gründen des Umweltschutzes derart eingeschränkt hat.

Das Gericht hatte ausdrücklich bestätigt, dass der Bienen- und Umweltschutz bei solchen Risiken Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen hat. Die wissenschaftlichen Hinweise auf Risiken für Bienen genügten, um die Maßnahmen der EU-Kommission zu rechtfertigen. Das Gericht hat bestätigt, dass Genehmigungen für Pestizidwirkstoffe eingeschränkt werden können, wenn ernsthafte Zweifel an ihrer Unschädlichkeit bestehen. Das Gericht hat zudem unsere Rechtsauffassung bestätigt, dass es Pflicht der Hersteller ist, derartige Zweifel auszuräumen. Auch der Einwand der Chemieunternehmen, eine offiziell etablierte, aktuelle Methodik für die Risikoprüfung bezüglich Bienen habe gefehlt, wurde zurückgewiesen. Ebenso das Argument, etwaige Schäden für Bienenvölker seien auf Anwendungsfehler der Landwirt:innen zurückzuführen, ließ das Gericht nicht gelten: Es zählt die Anwendungspraxis. Vorhandene Zulassungen können also aufgrund neuer Erkenntnisse eingeschränkt werden.

Das Urteil ist ein Meilenstein für den Insektenschutz in der industriellen Landwirtschaft.

Gefahr, dass Bayer seine Interessen dennoch durchsetzt

Weil dieses Urteil weitere Pestizidzulassungen infrage stellt und es dabei um die Blockbuster der Agrarchemie geht, hat Bayer für seinen Wirkstoff Clothianidin beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) als letzte Instanz Widerspruch gegen das Urteil eingelegt. Bayer geht es mit der Berufung nun darum, den Vorrang des Umweltschutzes vor wirtschaftlichen Interessen aus dem Weg zu räumen. Die mündliche Verhandlung zu dem neuen Verfahrensschritt, bei der wir wiederum mit unseren Anwälten vertreten waren, fand im Juni 2020 statt. Es ging im Speziellen um die Frage, welche Art wissenschaftliche Grundlage die EU-Kommission braucht, um umweltschädliche Produkte vom Markt nehmen zu dürfen und inwieweit sie dabei an bestehende Standards („Bee Guidance“) gebunden ist oder neue Erkenntnisse über Umweltrisiken berücksichtigen darf. Der Vertreter der Kommission bedankte sich nach der Verhandlung für unsere aus seiner Sicht bedeutsame Mitwirkung.

Neonicotinoide sind nicht generell verboten, der Bienenschutz ist bisher nicht gewährleistet

Während das 2013 begonnene Gerichtsverfahren zur teilweisen Einschränkung der Insektizid-Anwendung noch lief, ging die EU im April 2018 einen Schritt weiter und verbot den Freilandeinsatz der Wirkstoffe gänzlich. Zuvor waren z.B. Kartoffeln und Zuckerrüben davon ausgenommen.
Das vermeintliche Verbot bekam große mediale Aufmerksamkeit. Infolgedessen wurde angenommen bzw. suggeriert, dass Neonicotinoide nun verboten seien und der Bienenschutz damit gewährleistet sei. Beides trifft nicht zu. Wild- und Honigbienen werden weiterhin hohen Risiken ausgesetzt. Es sei denn, die mit dem EuG-Urteil vom Mai 2018 erfolgte, grundlegend neue Abwägung zwischen Umwelt- und Industrie-Interessen hat vor dem EuGH Bestand und bietet die Möglichkeit zukünftiger Neubewertungen.

Tragweite des zu erwartenden Urteils

Wenn Bayer sich aber in dem laufenden Rechtsstreit beim EuGH durchsetzt, ist damit zu rechnen, dass alle bisherigen Anwendungsbeschränkungen für Neonicotinoide hinfällig werden. Wahrscheinlich auch die Anwendungsverbote der Kommission vom April 2018. Eine konsequente Anwendung des in der europäischen Pestizidverordnung verankerten Vorsorgeprinzips und eine strengere Regulierung bei Neuzulassungen von Wirkstoffen wären nach einem solchen höchstrichterlichen Urteil in weite Ferne gerückt. Aufgrund dieser Tragweite haben unsere Anwälte uns trotz hoher unbeglichener Anwaltsrechnungen bis zuletzt weiter vertreten.

Die Generalanwältin des EuGHs bestätigte in ihrem Schlussplädoyer weitgehend unsere Position. Es sei die Verantwortung der Hersteller, wissenschaftlich begründete Zweifel an der Unschädlichkeit ihrer Produkte zeitnah auszuräumen. Diesen Nachweis habe Bayer nicht erbracht. Sie betonte auch die grundlegende Bedeutung des Verfahrens für die zukünftige Ausgestaltung der Zulassungsprüfung für Pestizide. Das finale Urteil des EuGHs wird Ende des Jahres 2020 erwartet.

Weitere Klagen zum Schutz der Bienen

Überblick – Klagen gegen Glyphosat

Auslöser für die Aurelia Stiftung sich mit dem Totalherbizid-Wirkstoff Glyphosat und seiner Zulassung zu beschäftigen, war eine mehr als 100-fache Überschreitung der zulässigen Höchstmenge von Glyphosat im Honig. Das bis dahin völlig unbekannte Problem wurde durch proaktive eigene Untersuchungen des Imkers Aßmann in Brandenburg im Jahr 2016 festgestellt. Der Honig verliert durch die Überschreitung der Höchstmenge seine Verkehrsfähigkeit. Der Honig ist zu entsorgen und der Imker bleibt auf seinem Schaden sitzen. Keiner der Imkerverbände oder der bienenwissenschaftlichen Institute wollte sich der Sache annehmen. Stichprobenartige Honiguntersuchungen seitens Aurelia in Brandenburg und anderen Bundesländern zeigten, dass die Verunreinigung keine außergewöhnliche Ausnahme darstellt. Inzwischen gehen wir davon aus, dass wahrscheinlich bei ca. drei Prozent der deutschen Honige die zulässigen Höchstmengen überschritten werden.

Mit juristisch ausgearbeiteten Schriftsätzen, welche Bezug auf die jeweiligen Zuständigkeiten nahmen, forderten wir 2016 ein generelles Verbot der Anwendung von Glyphosat in blühenden Pflanzenbeständen: Weder die EU-Kommission noch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) oder das für den Imker Aßmann zuständige Brandenburger Landesamt für ländliche Entwicklung (LELF) und auch nicht das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) sahen sich veranlasst, Maßnahmen zum Schutz des Honigs bzw. der Imkerschaft zu ergreifen. Das hat sich bis heute nicht verändert. Hingegen wies die EU-Kommission 2016 in ihrem Schreiben an die Aurelia Stiftung darauf hin, dass es die Aufgabe des Imkers sei, einen anderen Standort zu wählen, wenn das Risiko zu hoher Pestizidbelastungen bestehe. Diese lebensfremde, industriefreundliche Position veranlasste uns bzw. unsere Anwälte dazu, die Zulassungssituation von Glyphosat gründlich zu untersuchen. Infolgedessen führen wir derzeit mit dem Verein Mellifera e.V., der als Umweltverband dazu berechtigt ist, zwei Klagen gegen die EU-Kommission, um die Rechtmäßigkeit folgender Punkte zu überprüfen:

  • Verlängerung der Zulassung für Glyphosat
  • Erneuerung der Zulassung von Glyphosat (dieses Verfahren ruht zurzeit)

Im Jahr 2020 boten umfangreiche und sehr gut dokumentierte Honigbelastungen in der Bioland Imkerei Seusing geeignete Angriffspunkte, um die Durchsetzung mustergültiger privatrechtlicher Schadensersatzforderungen zu versuchen. Vor dem Hintergrund dieses Schadensfalles versuchen wir seitens der Aurelia Stiftung zudem das BVL zu Schutzmaßnahmen für Imker:innen zu verpflichten.

Verlängerung der Zulassung von Glyphosat

Die Zulassung von Glyphosat wurde jenseits transparenter Verfahrensregeln zweimal von der EU-Kommission verlängert (2015 und 2017). Die Kommission hätte die Zulassung angesichts des nicht abschließend geklärten humantoxikologischen Risikos (Krebsverdacht) sowie der nachweislich schädlichen Auswirkungen von Glyphosat auf die Biodiversität und insbesondere auf die Gesundheit von Blütenbestäubern auslaufen lassen müssen. Im Jahr 2017 haben wir daraufhin eine Überprüfung der unseres Erachtens rechtswidrigen Verlängerung der Zulassung von Glyphosat durch die EU-Kommission beantragt. Die Kommission hat sich beim EuG erfolgreich gegen unseren Anspruch auf diese Überprüfung gewehrt. Wir haben Widerspruch gegen das Urteil eingelegt und sind damit inzwischen beim EuGH.

Wegen des Stellenwertes des Verfahrens hat der Bayer-Konzern, der jetzt Zulassungsinhaber von Glyphosat ist, im Sommer 2019 seine Prozessbeteiligung beantragt. Dem wurde stattgegeben. Der EuGH wird sein Urteil am 3. September 2020 verkünden. Wir müssen damit rechnen, dass die damit verbundene grundsätzliche Frage, ob Umweltverbände Anspruch auf solche Überprüfungen beantragen dürfen, in diesem speziellen Fall abgewiesen wird.

Erneuerung der Zulassung von Glyphosat

Kurz nach der letzten Verlängerung der Zulassung von Glyphosat wurde die Zulassung des Wirkstoffes Ende 2017 für fünf weitere Jahre erneuert. Ermöglicht wurde dies durch die spektakuläre Zustimmung des damaligen Landwirtschaftsministers Christian Schmidt im EU-Rat. Weil der Vorgang juristisch etwas anders gelagert war als bei den Verlängerungen, haben wir bei der Erneuerung ebenfalls einen Antrag auf Überprüfung gestellt. Das Verfahren haben wir in Abstimmung mit dem EuG allerdings zunächst ruhen lassen. Je nachdem, wie das Urteil beim EuGH bezüglich der Zulassungsverlängerung im September 2020 ausfällt und wie es begründet wird, entscheiden wir, ob wir das ruhende Verfahren fortführen. Wir rechnen damit, dass es sinnvoll und aussichtsreich sein wird, dies zu tun. Das Ziel der Aurelia Stiftung ist es, mit den Anträgen auf Überprüfung eine Aufhebung bzw. Änderung der Genehmigung für Glyphosat zu erwirken.

Darüber hinaus wollen wir das Recht von Umweltverbänden durchsetzen, solche EU-Genehmigungen von Pestizidwirkstoffen überprüfen zu lassen. Nur eine solche Kontrollmöglichkeit kann ein Gegengewicht im Genehmigungsverfahren schaffen, das überwiegend von der Kooperation zwischen den Herstellern, der Kommission und den Behörden der Mitgliedstaaten geprägt ist.

Verunreinigung von Honig durch Glyphosat

Im Jahr 2020 traten in der Brandenburger Bioland Imkerei Seusing wiederholt umfangreiche und sehr gut dokumentierte Belastungen von Honig mit Glyphosat auf. Der Schaden beläuft sich auf mehr als 60.000 Euro. Der Landwirt gesteht die verursachende Pestizidanwendung ein, hält sie aber im regulatorischen Umfeld für berechtigt. Die Schadensersatzklage gegen den Verursacher wurde von der Imkerei Seusing mittlerweile eingereicht. Wir sehen gute Chancen, die Berechtigung des Anspruchs nachweisen zu können. Es wird auch Thema des Prozesses sein, inwieweit der Glyphosat-Einsatz in blühenden Pflanzen tatsächlich der guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft entspricht, was teilweise immer noch behauptet wird.

Der Prozess ist wichtig, um den Landnutzer:innen vor Augen zu führen, dass Blütenspritzungen tatsächlich solche Schäden verursachen und ein ernstzunehmendes Schadensersatzrisiko für sie vorliegt. Wir rechnen damit, dass der Weg wieder durch alle gerichtlichen Instanzen führen wird, über das Oberlandesgericht zum Bundesgerichtshof als letzte Instanz.

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