Aktuelles

Agribusiness first: Bald Gentechnik ohne Kennzeichnung und Risikoprüfung auf unseren Tellern?

Veröffentlicht am

Ganz im Sinne der Agrarindustrie sollen viele gentechnisch veränderte Lebensmittel in der EU künftig weder gekennzeichnet noch risikogeprüft werden. Das geht aus einem durch das Portal arc2020.eu geleakten Gesetzentwurf der EU-Kommission hervor, der die Verantwortung der Agrarkonzerne für massive Umweltschäden ignoriert, die weitere Destabilisierung der lebensnotwendigen Ökosysteme billigt und Europas Verbraucher:innen entmündigt. Voraussichtlich am 5. Juli will die EU-Kommission den Verordnungsvorschlag offiziell veröffentlichen.

Ein am 15. Juni geleakter Verordnungsentwurf der EU-Kommission zum künftigen Umgang mit neuen molekulargenetischen Werkzeugen bei der Züchtung und Ausbringung von Pflanzen könnte schon bald Gentechnik auf die Teller von Bürger:innen in ganz Europa bringen – und das sogar ohne ausreichende Risikoprüfung. Denn der Entwurf der EU-Kommission sieht vor, die geltenden Vorschriften für Risikoprüfung und Kennzeichnung von Agrogentechnik in weiten Teilen auszusetzen. Kritik daran kommt von vielen Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen. Auch aus Sicht der Aurelia Stiftung dürfte durch das Vorhaben der EU-Kommission der Schutz von Umwelt und Biodiversität vor den negativen Auswirkungen der in der EU vorherrschenden Intensivlandwirtschaft weiter erschwert werden.

„Die EU-Kommission will wider besseres Wissen den Schutz der Umwelt und die Wahlfreiheit für gentechnikfreie Lebensmittel den wolkigen, nicht evidenzbasierten Gentechnik-Versprechungen der Agrogentechnik-Lobby opfern. Für Bäuerinnen und Bauern, Bienen und Biodiversität ist das fatal“, sagte Bernd Rodekohr, Projektleiter „Schützt die Biene vor Gentechnik“ bei der Aurelia Stiftung. Europas Verbraucher:innen werde das fundamentale Recht genommen, sich bewusst für oder gegen Produkte aus gentechnikfreier Landwirtschaft zu entscheiden.

Unbeantwortet bleibt in dem Gesetzentwurf zudem die Frage, wie konventionelle Imker:innen und Landwirt:innen, die gentechnikfrei wirtschaften wollen, dies in Zukunft praktisch tun sollen. Denn gemäß dem Vorschlag der Kommission sollen nur Bio-Produkte gentechnikfrei bleiben. Auch stelle sich die Frage der Patente auf Pflanzen, kritisierte Bernd Rodekohr: „Die Agrarkonzerne missbrauchen die Werkzeuge der Neuen Gentechnik und lassen sich bereits heute in großem Stil Gensequenzen, die in der Natur vorkommen, als ,Crispr‘-Pflanzen patentieren. So wollen sie ihr Geschäftsmodell einer von ihren Erzeugnissen abhängigen Intensivlandwirtschaft mit großflächigen Rein- und Monokulturen absichern.“

Unberechenbare Folgen für das Ökosystem

Von der geplanten Deregulierung der Gentechnikvorschriften profitieren nach Auffassung der Aurelia Stiftung hingegen ausnahmslos die Agrarkonzerne. Warnungen zum Beispiel des deutschen Bundesamts für Naturschutz (BfN) lasse die EU-Kommission unberücksichtigt. Das BfN kritisiert unter anderem es fehle die Erfahrung, um die Auswirkungen von Pflanzen aus sogenannter Neuer Gentechnik (NGT) überhaupt einschätzen zu können. Dabei könnten die Auswirkungen schwerwiegend und nicht rückholbar sein. Laut BfN ist durch NGT erstmalig das ganze Erbgut gleichermaßen und sehr schnell für gentechnische Veränderungen ver­fügbar. Dadurch könnten die neuen gentechnischen Verfahren eine wesentlich höhere Wirk­mächtig­keit haben als herkömmliche Züchtungstechniken – mit bislang unkalkulierbaren Risiken für das Ökosystem, warnt das BfN.

„Die EU-Kommission ignoriert vollständig die wissenschaftlich bestens dokumentierten Schäden für Umwelt und Biodiversität, aber auch die einseitige Ausrichtung des züchterischen Fortschritts auf die Gewinninteressen weniger Konzerne“, sagte Bernd Rodekohr. Die Aurelia Stiftung versucht nun gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen für Verbraucher- und Umweltschutz, die Umsetzung der EU-Verordnung zu verhindern.  

 Weitere Informationen

Link zum Leak des NGT-Gesetzentwurfs der EU-Kommission: www.arc2020.eu/leak-draft-ngt-regulation-and-impact-assessment-revealed

Bundesamt für Naturschutz zu Gentechnik und Biodiversität: www.bfn.de/haeufig-gefragt-gentechnik

Aurelia zu Gentechnik und Biodiversität: www.aurelia-stiftung.de/2023/05/23/wir-fangen-gerade-erst-an-zu-verstehen

EU-Kommission pokert um Naturschutz, Pestizide und Neue Gentechnik:

www.aurelia-stiftung.de/2023/05/26/eu-kommission-pokert-um-naturschutz-pestizide-und-neue-gentechnik

 

 

 

 

Foto Mähdrescher: aerodix / photocase.de bzw. Foto Akten: kalhh / Pixabay

top

Newsletter abonnieren

Mit dem Aurelia Newsletter bleiben Sie am Puls unserer Arbeit als Anwältin der Bienen.
Er ist kostenlos und jederzeit einfach kündbar.