Erstmals konnte der Nachweis erbracht werden, dass sich mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) eine gentechnisch veränderte Pflanzen entwerfen lässt, die giftig für Insekten ist aber nach dem Gentechnik-Gesetzentwurf der EU ohne Risikoprüfung freigesetzt werden dürfte.
Mit Hilfe einer öffentlich zugänglichen Version des KI-Bots ChatGPT 4o konnte in einem gemeinsamen „Proof-of-Concept“-Projekt von Aurelia Stiftung, Testbiotech und Save Our
Seeds (SOS) der Bauplan für einen insektengiftigen Mais erzeugt werden, der sämtliche Bedingungen des aktuellen Gentechnik-Gesetzentwurf der EU erfüllt, um ohne Risikoprüfung freigesetzt werden zu können.
Das gemeinsame Projekt der drei NGOs zeigt, dass eine wissenschafts¬basierte Einzelfall-prüfung von Umweltrisiken durch neue Gentechnikpflanzen dringend erforderlich ist.
Ein insektengiftiger NGT 1 Mais ist offensichtlich nicht unbedenklich für Insekten
Bei dem insektengiftigen Gentechnik-Mais handelt es sich um eine sogenannte NGT 1-Pflanze. NGT 1-Gentechnik-Pflanzen dürfen kein artfremdes Genmaterial enthalten und können maximal an 20 Stellen im Genom verändert werden. Die EU-Kommission hält NGT 1-Pflanzen für unbedenklich und will daher ihre Freisetzung ohne Umwelt-Risikoprüfung ermöglichen. Wie der insektengiftige NGT 1-Mais aber deutlich zeigt, lassen sich mit Hilfe von Kl-gestützer Gentechnik auch NGT 1-Pflanzen schaffen, die Risiken für Bestäuber und andere Insekten bedeuten, die untersucht werden müssen.
Blinder Fleck im EU-Gentechnik-Gesetzentwurf: KI-gestützte Gentechnik
KI-gestütze Gentechnik kommt allerdings im Gesetzesentwurf der Kommission gar nicht vor. Der insektengiftige NGT 1 Mais kann daher als Warnung verstanden werden, dass die Vorschläge der EU zur Regulierung von Gentechnik-Pflanzen unzureichend und gefährlich sind und bereits überholt, noch bevor sie in Kraft treten könnten. Der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) hat eine tiefgreifende Transformation der Biotechnologie eingeleitet. Die EU-Kommission hinkt hinterher.
Ein insektengiftiger NGT 1 Mais ist eben nicht unbedenklich für Insekten
Als mögliche Kandidaten für insektengiftige NGT 1 Pflanzen schlug ChatGPT verschiedene Arten wie Tomate oder Soja vor. In der Folge wurden von Testbiotech mithilfe der KI eine NGT 1 Mais-Pflanze designt, die eine dauerhaft erhöhte Menge eines insektengiftgen Eiweißstoffes (Serin Proteaseinhibitor, SPI) bildet. SPIs werden von Maispflanzen in Stress-Situationen auch natürlich gebildet. Allerdings nur vorübergehend. Bei Fraß-Insekten, die mit der Pflanze größere Mengen an SPI aufnehmen, wird die Verdauung gestört. Dadurch können die Tiere verhungern – die Sterblichkeit steigt. Das gilt insbesondere für Schmetterlinge (Lepidoptera) wie den Maiszünsler (Ostrinia nubilalis). Im Maisanbau gilt der Maiszünsler als Schadinsekt. Insektizide Pflanzen können allerdings nicht nur für die anvisierten Schädlings¬arten giftig sein, sondern auch für Nicht-Ziel-Organismen wie Bienen und andere Bestäuber.
Auch „kleine“ Eingriffe in das Pflanzen-Genom können die Bienengesundheit gefährden
Zurzeit verhandeln EU-Kommission, Parlament und Rat noch über die Lockerung des Gentechnik-Rechts. Das Argument, dass man bei NGT 1-Pflanzen auf eine Risikoprüfung verzichten könne, weil von solchen Pflanzen kein höheres Risiko ausgehe, als von konventionell gezüchteten Pflanzen, wurde nun klar widerlegt.
Für Fachleute ist das allerdings keine Überraschung. Bereits Anfang 2024 widersprach die französische Behörde für Umweltschutz und Lebensmittelsicherheit Anses in einem umfangreichen Gutachten der Erzählung von den harmlosen NGT 1 Pflanzen. Anses kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass der willkürlich festgelegte Schwellenwert von 20 Erbgut-Veränderungen für Pflanzen ohne Risikoprüfung „wissenschaftlich unzureichend begründet“ ist und keine Gewähr für die Sicherheit von NGT-Pflanzen bietet.
Auch andere Europäische Umweltbehörden und Wissenschaftsinstitutionen wie das Bundesamt für Naturschutz BfN und die Gesellschaft für Ökologie GfÖ fordern seit geraumer Zeit eine Einzelfall-Risikobewertung für alle gentechnisch veränderten Pflanzen. Denn auch „kleine“ Eingriffe in das Pflanzen-Genom, etwa zur Änderung des Fettsäuremusters bei Ölpflanzen können die Gesundheit von Bienen und anderen Bestäubern gefährden. (Koller et al. 2023)
Ihre E-Mail gegen bienengefährliche Gentechnik an EU Abgeordnete!
Bitte weisen Sie die EU-Abgeordneten in Brüssel mit unserer E-Mail Aktion auf die Risiken durch insektengiftige NGT 1-Gentechnik hin. Noch haben die Abgeordneten die Möglichkeit, gegen das Gesetz zu stimmen und Mensch, Biene und Umwelt nach dem Vorsorgeprinzip der EU zu schützen. Über 90 % der Menschen in Deutschland lehnen Gentechnik-Pflanzen ohne Risikoprüfung und Kennzeichnung ab. Man darf uns Bürgerinnen und Bürger nicht derart übergehen und entmündigen.
Links:
Bericht Testbiotech „KI entwirft Bauplan für insektengiftige NGT-1-Pflanzen“
E-Mail Aktion Aurelia: „Bienengefährliche Gentechnik ohne Risikoprüfung stoppen!“
Bericht Save our Seeds: „Wenn Chatbots neue Sorten züchten“
Foto: Freepic/jcomp & AdobeStock/iuriimotov